Let´s go schrotteln - PART IV.
Flugangst
ist keine Krankheit, sondern eher eine Art ungesundes Wachkoma. Ein grenzwertiger Ganzkörperzustand in den man unfreiwillig verfällt, nachdem sie dich aus einem völlig überfüllten Zubringerbus auf die Rollbahn schubsen und dann dazu zwingen eine eiserne Hühnerleiter hinaufzukrabbeln. Und alles nur, damit man in einem viel zu engen Sitz gezwängt wird um darin festgeschnallt für die restliche Flugzeit zu verharren.
Dieser Angstzustand ist übrigens lebensbedrohlich, und die Stewardessen könnten deeskalierend einwirken, indem sie darauf verzichten würden, vor dem Start gestenreich alle möglichen Flugunfallsituationen in vorderster Reihe durchzuexerzieren.
Was spricht eigentlich dagegen, sich die Seele aus dem Leib zu schreien, wenn man in Ultraschallgeschwindigkeit auf die Gletschergipfel Grönlands zurast? Stattdessen wird von einem erwartet, dass man sich einen orangefarbenen Pappbecher über Nase und Mund stülpt und als Hauptdarsteller eines No-Future-Ensembles sein Leben aushaucht. In embryonaler Haltung wohlgemerkt!
Ja, ich leide unter Flugangst! Und ich kann diese kollosalen Luftlöcher und gefühlten Fastabstürze einfach nicht mehr verdrängen. Ich bin sozusagen eine Art Black-Box der Economyklasse. Sowas wie die linke Hand des Piloten in der hintersten Reihe.
Ein Seizmograph der Lüfte. Dauerhaft angeschnallt. Unbeweglich. Unbestechlich. Im Überwachkoma halt ...
Ankunft Los Angeles LAX
... die PICK A PART Connection ...
Das Self-Serve-Wrecking* wird im wesentlichen von vier landesweit agierenden Recycler-Konzernen angeboten. Das sind zum einen die Jungs mit der Krake (LKQ), die sich PICK-YOUR-PART nennen. Gefolgt von Ecology U-PICK-PARTS, den PICK-N-PULL-Stores mit 61 Plätzen und den Aadlen Brothers, die direkt am Eingang diesen überdimenensionalen Hai in den Palmen hängen haben.
2 ½ Wochen, mehr haben wir dieses Jahr nicht zur Verfügung. Siebzehn Tage sind zwar nicht mehr als ein heißer Tropfen auf dem Zeiteisen, doch genügend Zeit, um einmal den Versuch zu unternehmen, einen Großteil der Self-Wrecking-Yards direkt anzusteuern und am Ende die hoffentlich "fette" Beute zu präsentieren.
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Da wir, wie im Forum angekündigt, den zum Verkauf stehenden Fuhrpark von Christian begutachten wollten, haben wir die ersten beiden Nächte in Ontario im Nordosten von Los Angeles klar gemacht. Gleich nach Ankunft haben wir uns hektisch durch die Alamo-Formalitäten gewurstelt, um den angebrochenen Anreisetag nicht sinnlos verstreichen zu lassen. Die ersten drei Pick-A-Parts, die allesamt in Sun Valley angesiedelt sind, könnten wir noch mitnehmen, wenn wir nur rechtzeitig das Flughafenareal von LAX hinter uns lassen würden.
(Yard 1) (27 Meilen)** Der reine Foreign Wreckingyard (U Pick Parts Foreign) in der Telfair Ave war unsere erste Station. Hier bestätigte sich, was wir in den letzten Jahren gebetsmühlenartig in Dauerschleife herunterbeten. Die Fahrzeugpalette verschiebt sich zunehmend in die späten 80er Jahre. Sollten sich doch ein paar Modelle der 70er Jahre darunter befinden, tragen sie meist das falsche Werksemblem. Dieses Mal standen wir staunend vor einer aufgegebenen Käfersammlung. Die teils schon stark ausgebeinten Fragmente waren alles, was die mexikanischen "Coorbuyer" übrig gelassen hatten. VW-Beetles haben hier in Californien im Gegensatz zu Mercedes-Limousinen der 50er bis 70er Jahre fast schon Kultstatus. Immerhin, am Ende schleppten wir eine Heckklappe eines W123er Kombi zur Kasse. Die drei Dollar "Coor-Charge", eine Art Altteilpfand, wurde uns erlassen, da der Mitarbeiter an der Bonkasse uns schon mittlerweile seit über zwanzig Jahren die Rechnungen ausstellt.
(Yard 2) (27 Meilen) - U-Pick-Parts ist eigentlich der direkte Zaunnachbar von Pick-N-Pull am Sunland Boulevard. Hier springt selten was raus, weil hier der Fokus eindeutig auf "domestic cars" liegt.
(Yard 3) (29 Meilen) - Pendleton St. in Sun Valley (Pick Your Parts). Keine zwei Blöcke östlich liegt bereits unsere dritte Anlaufstelle, doch hier war außer Kopfstützen und Mittelarmlehnen aber auch gar nichts zu holen.
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(Yard 4) (99 Meilen) - East 6th Street in San Berandino.
Es regnet in Strömen, und ich habe diese bescheuerten Crocs an den Füßen kleben. Jetzt weiß ich wenigstens, dass die seitlichen Lochreihen wie ein Tauchgerät zu blubbern anfangen, wenn man in knöcheltiefen Pfützen versinkt. Einen kleinen Vorteil kann man den Bullaugen dieser italienischen Vollgummisandalen aber nicht absprechen. Die Suppe läuft auch wieder ab. Nur eben der Schlamm nicht ...
Dafür wurden wir geradewegs auf einen 450 SL zugespült, dessen Klebewulst unter der Kotflügelkante uns nahezu zwei Stunden intensiv beschäftigt hatte. Die Dichtmasse zwischen Kotflügel und Radeinbau wird unter intensiver Sonneneinstrahlung steinhart. Angeblich soll das Zeugs eine Tochterfirma von Kukident auf den Markt gebracht haben. So intensiv wie diese Dichtung pappt, wage ich zu behaupten, dass die Tochterfirma mittlerweile Kukident übernommen hat. Nach Mopf soll eine andere Klebemasse verwendet worden sein. Auf dringendes Anraten der südcalifornischen Spenglerabteilungen.
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POMONA SWAPMEET
Hier kannst du auf einer Quadratmeile alles kaufen, was die amerikanische Automobilindustrie vor den achtziger Jahren in die Schaufenster gestellt hat.
Hier ist nicht Probe schauen, sondern Probe fahren angesagt. Deswegen flanieren auch an allen Ecken und Enden quer und längs die Straßenkreuzer vergangener Zeiten über das Fairground-Gelände des Stadtteils Pomona.
Einmal abgesehen von der großen "Folkswagen" Fangemeinde, die neben einer stattlichen Anzahl von VW-Käfern auch mit Bussen, Transportern und Pritschenwagen das so sehr amerikanisch gefärbte Bild etwas auflockern, findet man so gut wie gar nichts, was außerhalb Wolfburgs auf die Welt kam. Auch der angrenzende Teilemarkt mit über zweitausend Ständen hat nichts zu bieten, was den Sternenjäger verzücken könnte.
(Yard 5) (135 Meilen) Fontana (Imports only) Boyle Ave.
Wer auf dem 10er Freeway Richtung San Bernadino unterwegs ist, kann diesen Yard der Ecology-Gruppe gar nicht übersehen, da das Schrottplatzareal direkt an der Autobahn angesiedelt ist. Hier mussten wir mal vor Jahren Türen stehen lassen, da die Abschlachtregeln nur zwei Türen pro Person vorsahen.
Außerdem waren schon etliche Fahrzeuge vorgeschlachtet. Was die Selbstschrauber ziemlich erbost hatte. Jetzt wurde mit großflächigen Plakaten dafür geworben, dass man verstanden und die restriktive Firmenpolitik aufgegeben hatte.
Ein 380 SL hatte zwar noch die Kotflügel und die begehrte Mittelarmlehne zu bieten, doch die restlichen Sterne trugen weit höhere Vorzeichen in den Fahrgestellnummern.
(Yard 6) (157 Meilen) Also versuchten wir in Riverside unser Glück. Der Yard in der Pyrite Street liegt in einer dieser weit verbreiteten Gewerbewüsten am Fuße der Gebirgsketten, die Los Angeles zum Norden hin komplett abschottet.
Hier kam uns definitiv jemand zuvor. Denn die 220er Heckflosse hatte ihr komplettes Blechkleid bereits abgeworfen. Hätten wir noch volle Akkus gehabt, stünde der Flosserich jetzt auch noch ohne Heckblech und Schwellerköpfe auf den Sockeln.
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(Yard 7) (176 Meilen) Orkanböen mit Windgeschwindigkeiten um die hundert Stundenkilometern tobten über den Platz in West Valley von Rialto. Dieser auch Hillside genannte Schrottplatz glänzt mit seiner außergalaktischen Hanglage. Die Fahrzeuge sind auf mehreren Terrassen, die wie in die Hänge gemeißelt wirken, verteilt. Um in die oberen Ränge zu gelangen, muss man eine Art Zubringer nehmen. Ein Pickup mit einer abenteuerlichen Hängerkonstruktion, auf dem zwei Bänke längs der Fahrtrichtung geschraubt wurden, zerrt die Schraubergemeinde mit ihren vollbestückten Werkzeugkisten die Hänge hoch. Als die Windböen an Stärke zunahmen, segelten in den oberen Etagen bereits achtlos auf die Seite gestellte Motorhauben und Heckdeckel wie Drachen durch die Lüfte.
Keine zwei Meter neben uns schlug die Motorhaube eines Toyota Corolla mit voller Wucht ein und blieb in einem 3er BMW stecken. Glaubt mir, einen derart profanen Abgang ins Jenseits hätte ich uns nie verziehen.
Also wechselten wir die Schrauberstellung und verzogen uns in das Objekt der Begierde. Der Ausbau der dritten Sitzbank eines 124er Kombis von innen heraus ist zwar eng und unbequem, aber definitiv sicherer.
(Yard 8) (188 Meilen) Pick-A-Part North Linden Ave gleicher District.
Wenn Autos eine Seele hätten, dann wäre dieses 123er Coupe eine Verlorene gewesen. Eine derart perfekte Karosse auf den Schrott zu werfen grenzt schon an Schrotteslästerung. Irgendjemand hatte sich bereits erbarmt und die Türen samt elektrischer Fensterheber vorne wie hinten mitgenommen. Wir standen fassungslos vor der Karosse und schraubten andächtig die Kotflügel weg. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, wäre ich im Office vorstellig geworden und hätte versucht, die Karosse zu retten. Doch wer einmal auf Böcken steht hat verloren. Auch dieser 300 SD wird in die Presse wandern ...
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Wow, in der "Old Stuff"-Sektion befanden sich doch tatsächlich drei frühe Strich-Achter. Einer davon hatte perfekte Türen und tadellose Kotflügel. Das 71er Coupe wäre der optimale Teilespender gewesen, hätte der Staplerfahrer etwas mehr von seinem Handwerk verstanden. Die Türen hatten links und rechts gewichtige Drücker weg. Also blieb uns nur der komplette Satz Fensterheber, samt Kabelbaum. Die Kotflügel werden wir trotzdem einsammeln, Serie 1 Blech kann man auch angeschrammt nicht hängen lassen. Sollten die beiden Akkus reichen, schneiden wir auch die ganzen Heckbleche hinten ab.
Der beigegraumetallicfarbene Strich-Achter (H726) reut mich in der Seele. Eine derart gute 0,5 Serie habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Selbst das braune Armaturenbrett hatte nur zwei kleine Risse.
An der Kasse dann der Schock. 120 $ werden hier für ein herausgetrenntes Heckblech aufgerufen. Inkl. Tax, Umweltzuschlag und Altteilepfand summiert sich das auf 145 Freunde. Das war uns schlichtweg zuviel. Also haben wir nur das bessere Heck auf der Rechnung stehen lassen. In ein paar Jahren werden wir uns die Krätze an den Hals ärgern.
(Yard 10) (245 Meilen) Monrovia, Peck Road LKQ PICK-A-PART
Die Einfahrt erinnert irgendwie an Mad Max II. Die vier Meter hohen Blechtrapeze säumen links und rechts die Einfahrt und vernageln der Sonne jeglichen Einblick.
Dieser düsteren Blechallee folgt man zwei-, dreihundert Meter und landet auf einem großen abgeschirmten Parkplatz, an dem sich ein hektargroßes Schrottplatzgelände anschmiegt. Die Oldcar-Abteilung befindet sich gleich am Eingang. Hier hingen sich tatsächlich zwei 4.5er die Schweller platt, und wir kamen tatsächlich schon wieder zu spät (der frühe Vogel kann mich wirklich mal, doch sollte ich ihn erwischen, machen wir halbe halbe), denn die Hinterachsen, die serienmäßig verbauten Leseleuchten und die Türen waren schon abgebaut. Als wir unsere Werkzeugtaschen auf der Motorhaube platzierten, kam auch schon die Durchsage, dass in 15 Minuten die Dämmerung einsetzen und der Yard schließen würde. Der ganze Platz verfiel in Hektik, und wir legten einen Gang zu. Zwei Kotflügel und ein Satz lange Türen für den 108er schafften wir Punkt genau "Before the dawn". Dann wurde es auch schlagartig finster und wir verzogen uns Richtung Ventura.
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(Yard 11) (349 Meilen) - Pick-The-Part, Mission Rock Road, Santa Paula
Das Gewerbegebiet liegt inmitten der größten Orangenplantagen Californiens. Im Umkreis von zehn Kilometern reiht sich ein Orangenhain an den anderen und zwischendrin der Pick-The-Part. Und definitiv einer von der aufgeräumten Sorte. Hier steht sogar an der A-Säule notiert, wann die Karosse das zeitliche segnet und in die Presse wandert. Solange dürfen die Teilespender teils unter Palmen in der Sonne glühen. Dieses Mal hatten wir sogar etwas Glück, denn obwohl das 123er Coupe auf das wir zusteuerten bereits gefleddert war, hatte man die hinteren elektrischen Fensterheber vergessen oder keine Verwendung dafür gehabt. Wir schon. Auch für die Kopfstützen. Außerdem sollten wir einen Satz Hubwinkel für ein 126er Schiebedach besorgen. Wer schraubt nicht gerne unter Palmen?
Erst an der Kasse kam der Dämpfer. 42 Dollar sollte das Stück Hubwinkel kosten. Wir hatten gleich vier Stück im Warenkorb. Also wieder retour, die Winkel dekorativ auf die hinteren Fensterheber aufgeschraubt und wieder zur Kasse. Jetzt waren wir bei vierzig Dollar pro Fensterheber angelangt, die nach unser Montage an die Bausätze der Fischertechnikkästen unserer Jugendzeit erinnerten. Solche Aktionen fallen hier unter die Rubrik Schrottplatz-Winkelakrobatik und sind völlig legitim ...
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(Yard 12) (362 Meilen)* Pick n Save – 1945 South Union Ave in Bakersfield.
Dieser langgezogene Straßenzug verheißt alles, was die Automobilbranche so hergibt. Pep Boys (die amerikanische Variante von Stahlgruber), Car-Tec, Kragen's Auto Supply, Labor Autoparts, American Tire Co. und ähnliche Ketten reihen sich links und rechts der Union Ave, garniert mit etlichen Frickelbuden in denen geschraubt, lackiert und Motorchecks angeboten werden. Dazwischen Impounds, Carpools, Abschleppunternehmen und besagter Pick n Save mit endlosen Reihen mobilen Blechs, dem die Puste ausgegangen ist.
An der linken Zaunfront standen die "Imports" aufgereiht, darunter auch eine 123er Karosse, die ich sogleich auf rostfreien Blechzustand untersuchen wollte.Als ich die Fahrertüre aufriss, wurde es an der Schulter urplötzlich heiß, irgendwas spratzelte meinen Arm hinab, dann fing ich an zu zucken, schwänzelte kurz zwischen Fahrer- und Fondtüre auf und ab, bis ich mich den Herzrythmusstörungen vollends hingab und neben dem linken Kotflügel zu Boden sank um mit dem Kopf unsanft gegen den Schwellerkopf zu schlagen. Noch völlig benommen, lasse ich den 10er Ratschenschlüssel neben die Werkzeugtasche fallen und versuche den verbrannten Geruch der mich umgab zu lokalisieren. Ich weiß nicht, wie lange ich so rücklings neben der Karosse lag und in den wolkenlosen Himmel blinzelte. Dann erst bemerkte ich das gelbe Warnschild, dass noch immer freudig mit den zuckenden Drahtreihen hin und her tanzte. Darauf stand Attention, 7000 Volts, High Voltage. Fassungslos rappelte ich mich auf und rekonstruierte den Ablauf der letzten Minuten. Die äußerste Fahrzeugreihe war derart knapp an einen fiesen Elektrozaun parkiert, dass beim Öffnen der Türen man unweigerlich Feindkontakt mit einem High-Voltage-Zaun aufnahm. Nach meiner Berührung dürften im Umkreis von 50 Kilometern alle Bügeleisen ausgefallen sein.
Jetzt mal ehrlich? Wie blöd ist das denn?
Als wir die Türen an der Kasse abstellte, habe ich mir einen der Plastikhelmkumpels geschnappt und den Vorfall gestenreich geschildert. Als Antwort bekam ich ein Achselzucken und ein "Sorry for that!"
Stimmt. Ich hatte ganz vergessen, dass ich für zwei Dollar Eintrittsgeld meine Rechte an der Schrottplatzpforte abgelegt hatte. Was sind schon siebentausend Volt und ein bisschen Herzklappenschmelze im Vergleich zu all den böse Dingen, die einen sonst am frühen Morgen so ereilen können ...
(Yard 13) (365 Meilen). Vier Blöcke weiter 5311 South Union Pick-n-Part.
Keine drei Meilen weiter firmierte schon der nächste Self-Service-Yard. Das dreigezackte Inventar war aber derart zerschunden, dass wir lediglich eine graue Mittelarmlehne in Leder mitnehmen wollten. Hier gab es zwar keine Elektrozäune, doch dafür seltsam Getier. Irgendwas abergerissenes mit spitzen Ohren saß direkt unter dem Nachbarfahrzeug. Nein, es war nicht Wolf, der war ja an der Mittelarmlehne zugange ...
(Yard 14) (475 Meilen) Fresno, East Muscat Ave, Pick-N-Part.
Knapp eindreiviertel Stunden später war es wieder so weit. Werkzeugtasche, - koffer und – rucksack und ab ins nächste Schrottplatzareal.
Auffällig ist, dass es ab Bakersfield keinerlei befestigten Untergründe mehr zu geben scheint und der schrauberwilligen Kundschaft große Distanzen auf staubigen Sandpisten zugemutet wird, in die die Caterpillar tiefe Furchen gezogen haben.
Im Gegenzug überraschen die Plätze mit nicht vorgeplünderten Fahrezguen. Am Ende haben wir es auf sage und schreibe drei Fahrertüren W123 gebracht.
(Yard 15) (478 Meilen) Jensen Ave, Fresno Pick-n-Pull
Wieder endlose Fahrzeugreihen auf staubigen Untergrund. Und wieder ein völlig rostfreies Exemplar eines 240er Diesels. Klima, schwarzes Leder, DZM, eFH.
Jetzt ohne Mittelarmlehne und ohne Fahrertüre. Langsam geht uns der Platz im Dodge aus. Wir fangen bereits an umzustapeln.
(Yard 16) (518 Meilen) Golden State Blvd. Madera CA
4:33 PM rollen wir auf den Besucherparkplatz, was nichts mehr hilft, da es mittlerweile stockenduster ist. Auch wenn der Fahrzeugverwerter mit Öffnungszeiten bis fünf Uhr wirbt stehen wir etwas bedeppert am bereits geschlossenen Eingangstor und studieren die hingetackerte Notiz.
"Sorry for that. Die Dämmerung war schneller".
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(Yard 17) (566 Meilen) Pick-N-Pull, Beard Ave. Modesto CA
Und dieses Mal hat es einen 123 Kombi auf dem falschen Rad erwischt. Mir geht es einfach nicht in den Kopf, wie man einen völlig rostfreien 300 TD derart pietätlos aufbahren kann. Zwei Reihen weiter hing noch ein grauer 250er, Baujahr 1970, in ähnlich perfektem Karosseriezustand auf den Eisenböcken.
Im Gegensatz zu den ersten beiden, war der 107er auf der gegenüberliegenden Seite gar nicht mehr zu gebrauchen. Hier hatte jemand im Zuge des Motorenherausreißens der Einfachheit halber beide Kotflügel großflächig mit abgekappt. Kein Wunder, dass der Ausdruck "neben der Kappe" für uns hier eine völlig neue Bedeutung bekommen hat.
(Yard 18) (606 Meilen) Pick-N-Save, Clark Dr. Stockton
Am Eingang erwartet uns ein Weihnachtsbaum aus Autoreifen, mit ner Warnbarke oben drauf. Der Platz ist riesig und soll vor 25 Jahren der erste Platz dieser Kette überhaupt gewesen sein, welchen die beiden Brüder (Jack & Jack) eröffnet hatten.
Im Importbereich stehen zwei 116er, ein Strich-Achter und zum wiederholten Male ein 123er Kombi 300 Turbodiesel. Als wir uns gerade über die beiden Kotflügel hermachten, kam von hinten die Frage, ob wir etwa die Heckflossenfreunde seien? Zwei Stunden später wussten wir, dass Werner aus Schwabach vor ungefähr fünf Jahren mit einem VW-Bus, beim Versuch die Staaten von West nach Ost zu durchqueren, hier hängen geblieben ist. Jetzt schraubt er an Oldies und ist scheinbar begeisterter Leser der Schrotteltour-Tagebücher.
Wir vereinbarten, dass wir auf dem Rückweg nach Los Angeles hier noch mal stoppen, den er zeigte ernsthaftes Interesse, die restlichen elf Monate im Jahr für den vdh die Teile hier im Norden zu sichern. Das wäre exakt der richtige Mann, nach dem wir verzweifelt 25 Jahre lang Ausschau gehalten haben.
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Fair Oaks bei Sacramento. Hier hatte Ralph, der sein Domizil ebenfalls in Sacramento aufgeschlagen hat, uns enorm geholfen, indem er bereits eine Woche zuvor eine frühe Flosse für uns ausgiebigst inspiziert hat. Dazu muss man wissen, dass ein Mitglied schon seit fünf Jahren geduldig ausharrt, da er eine 60er Heckflosse besitzt, die auch beim besten Willen nicht mehr schweißbar ist.
Also standen wir pünktlich um 09 Uhr bei U-Haul in Rancho Cordova auf der Matte, um den online reservierten 10" Truck samt Trailer in Empfang zu nehmen. 500 Meilen – One Way – macht 340 $ plus Steuer und Versicherung. Letztendlich landeten wir bei 460 $.
Nachdem wir die Unterlagen und zweitausend zu setzende Initials zusammen hatten, wurden wir zum zehn Minuten langen briefing am Objekt gebeten. Also haben wir brav zugeschaut, wie man hier einen Autoanhänger mit etlichen Ketten und Ösen an einen Truck heftet. Unsere bescheidene Frage am Ende der Exkursion, wo denn die Winde eigentlich versteckt sei, wurde mit Erstaunen zur Kenntnis genommen. Auf die Gegenfrage, für was wir so was benötigen würden, staunten wir zurück. Als wir uns genügend angestaunt hatten, beendeten wir die Kennenlernspielphase und lenkten das Gespräch zum Anfangsthema zurück:"Winden benützt man bei uns für Autos, die nicht fahrbereit sind und deshalb vielleicht hochgezogen werden müssen"? Die Antwort: "Hmmhh, interesting! If the car really doesn´t drive, you should buy a pulling winch somewhere," läutete die nächste Runde des Staunens ein. Unser Versuch, ihm plausibel zu erklären, dass man in Deutschland für Fahrzeuge die fahren würden, ja wohl keinen bescheuerten Truck samt Trailer mieten würde, entlockte ihm dann glatt ein "Sorry for that!" Dann ließ er uns ganz alleine weiterstaunen.
Letztendlich wurden wir keine halbe Stunde später mit einem wirklich frühen und rostfreien einarmigen Banditen" entschädigt, der tatsächlich die letzten 22 Jahre in einer Garage vergessen wurde und dort auf die Erlösung wartete. Das ältere Ehepaar war hellauf begeistert, dass die Ersthandflosse, trotz Dellen hier und da und einer billigen Umlackierung von arabergrau auf dispersionsrot, über den Teich geschifft und wieder aufgebaut werden sollte. Auf dem Rückweg haben wir trotz Gespann schon der Gewohnheit wegen die Route an einem Yard vorbei gewählt.
(Yard 19) (667 Meilen) Sunrise Blvd. Rancho Cordova, Pick-N-Part mit Premier Section. Das bedeutet, alles bleibt beim alten, nur die Preise sind höher angesiedelt. Das Ambiente hat tatsächlich einen gehobenen Charakter. Hier sind selbst die Kassenhäuschen unter Dach. Ein kurzer Sprint durch die Reihen führte schnurstracks zu einer alten S-Klasse. Normalerweise hätte wir zwei Türen davon mitgenommen, doch dazu reichte es aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit nicht mehr. Also haben wir uns nur noch um die Kopfstützen gekümmert.
Beim Verstauen der Beute wäre ich auf dem Parkplatz fast überfahren worden. Der eindeutige Unterschied beim Rückwärtsfahren zwischen Amerikanern und Europäern ist schnell erklärt. Hier parkt man auf Zuruf aus, der vorwiegend über verschreckte Passanten erfolgt. Bei uns benützt man die Rückspiegel ...
1 5 . D e z e m b e r 2 0 1 3
Übrigens, nicht alles, was einen blendet kommt unweigerlich von links und hat vier Räder. Meine augenlichtraubende Lichterkette kam von rechts und hatte gleich drei dicke Leuchtkugeln montiert. Die eine seltsamerweise zusätzlich oben und relativ mittig angebracht.
Auf meine zaghaften Hinweise per Lichthupe kam blöderweise überhaupt keine Reaktion. Also griff ich zu einer bewährten Erziehungsmethode und versuchte es mit der Variante Abblendlicht mit zugeschaltetem Fernlicht, indem ich den kombinierten Wisch- Fernlichthebel verärgert nach hinten zog.
Daraufhin passierten mehrere Dinge gleichzeitig.
Nicht nur, dass es urplötzlich taghell wurde und ein ohrenbetäubender Signalton fast die Fahrerkabine aus den Befestigungspunkten gerissen hätte!
Nein, es wurden auch noch weitere Zusatzscheinwerfer gezündet, deren Lichtstärke mir glatt den Haaransatz auf den Oberarmen ansengte. Dann flog eine schier endlose eiserne Wand an mir vorbei. Immer wieder untermauert von einem dumpfen, sich langsam entfernenden Grollen eines brutalen Nebelhorns. Als ich endlich wieder Sichtkontakt mit der rechten Spur herstellen konnte, erkannte ich die kilometerlange Schlange aneinandergereihter Überseecontainer die dumpf an mir vorbeidonnerten.
Ich hatte mich doch tatsächlich mit einem ausgewachsenen Güterzug angelegt ...
1 6 . D e z e m b e r 2 0 1 3 f r ü h
Der Umweg über Santa Paula hat sich am Ende gelohnt. Ein 10" Fuß GMC U-Haul-Truck fasst 41 Türen. Die stehen jetzt auf Paletten einträchtig neben dem Heckflossenfrühwerk aus Stuttgart.
(Yard 20) (662 Meilen) Ecology South Beach Blvd. Anaheim
Bei über zwanzig S-Klassen der späteren Generation müssen wir schleunigst umdenken und die Insiderkenntnisse unserer Mitglieder bemühen. Nötigenfalls eine Umfrage hier im Forum starten. Es müssen doch bitteschön mehr als ein paar Teile der 126er-Generation von Interesse sein. Denn eines dürfen wir nicht vergessen, die Massenverschrottung dieser Baureihe ist inzwischen hier im vollen Gange. Auch die 124-er und Baby-Benze stehen hier im Dutzend herum und warten auf den letzten Drücker. Und das im Dreiwochen-Rhytmus.
(Yard 21) (666 Meilen) und (Yard 22) (679) Anaheim, East White Star Ave. und East Orangewood Blvd. Diese Plätze existieren leider nicht mehr. Der erstgenannte musste einem Großparkplatz, der zweite einem Apartementkomplex weichen.
(Yard 23) (726 Meilen) Oceanside, Carpenter Road, Pick-N-Pull
Außer einem völlig verunfallten 108er war an Altbenzen hier nichts mehr zu finden. Dafür vermittelte die gepresste Schrottmauer einen Hauch von morbider Endgültigkeit. Ein für deutsche Verhältnisse traumhafter Opel GT, der völlig verloren in der vorletzten Reihe hing, zeigt auch für die letzten Optimisten zweifelsfrei, dass hier keiner, sprich absolut niemand, auch in nächster Zukunft jemals einen Unterschied zwischen gut und böse machen wird.
1 6 . D e z e m b e r 2 0 1 3 s p ä t
(Yard 24) (795 Meilen) Energy Way, Ecology, Chula Vista
Dieser Platz ist für uns der ungekrönte König unter den Self-Serve-Yards. Was hier an Altbenzen gewürfelt wird, ist einfach kolossal. Wir mussten zu vorgerückter Stunde wieder einmal eine Hauruckaktion eingelegen und schafften es, tatsächlich noch acht Türen auszubauen. Morgen werden wir hier nochmals vorstellig werden. Egal wie vollgestopft der Leihwagen auch sein mag, einen Kotflügel des 190er Pontons, der hier zur Entverwerdung aufgebahrt wurde, werden wir der Tonnenpresse vorenthalten.
1 7 . D e z e m b e r 2 0 1 3
(Yard 25) (805 Meilen) Wir steuerten also in aller Herrgottsfrühe auf den zweiten Yard, von Pick-A-Part, am anderen Ende des Energy Ways in Chula Vista zu. Wir wollten erst hier vorbei, um absolut sicher zu sein, dass wir danach noch genügend Platz für die Kotflügel haben würden. Ein Strich-Acht Coupe hatte tatsächlich eine völlig jungfräuliche Beifahrertüre in den Angeln hängen. Dazu noch ein blaues Klimakonsolenoberteil und die verchromte Mittelschalterkonsole im Angebot. Dazu noch zwei grüne Kopfstützen aus einem SLC. Das war´s dann auch. Als wir dem 190er von 1958 dann den rechten Flügel stutzen, war ich am Ende der Aktion völlig entnervt. Das Wissen, das alles, was wir hier zurücklassen würden unweigerlich in die Presse wandert, ist einfach unerträglich und zerrt am Nervenkostüm.
Craigslist Heckflosse – San Marcos
Und schon wieder hatten wir einen einarmigen Banditen ausfindig gemacht. Dieser Flosserich steht sich in einem Trailerpark seit siebzehn Jahren die Füße platt. Jetzt ist der Onkel gestorben und das Relikt aus den frühen Sechzigern landete für 1.500 Dollar offeriert in der Craigslist. Für deutsche Verhältnisse war das Blechkleid fast schon gut. Für hiesige eher mäßig, dafür amerikanisch zerbombt, sowohl innen, als außen als auch unter der Haube. Per Trailer zum Hafen würden noch mal 187 Dollar plus Sprit hinzukommen. Also haben wir frech 750 Dollar geboten. Der Verkäufer will denken, wir werden bei Bedarf dann lenken ...
Rick Nottunda und ein bekannter Autotuner namens Raul Possi
Nick und Paul hatten wir schon im letzten Jahr einen Besuch abgestattet. Im Zuge einer Lagerauflösung hatte die beiden einen Kofferraum voll Teile an Land gezogen, das meiste davon waren Ponton- und Heckflossenteile. Also wurden wir über vier Ecken informiert und waren uns nach langer Denkpause dann endlich einig geworden.
Doch die letzte Preisfindungsphase der beiden dauerte dann doch exakt so lange, dass wir tatsächlich bereits am Terminal zum einchecken standen als unser Gebot akzeptiert wurde.
Inzwischen war knapp ein Jahr vergangen und die Teile lagen größtenteils immern noch an derselben Stelle. Also wieder denken und pausieren und nach zwei Tagen war wir wieder soweit. Gleicher Preis, gleiche Adresse. Here we are ....
Die Teile waren schon letztes Jahr knapp kalkuliert, dafür ist etliches darunter, was schon seit Jahren nicht mehr lieferbar ist. Und genau für solches Material setzen wir uns ja hier den Hintern platt und spulen tausende Meilen herunter.
Am Ende kam es sogar auf einen typisch amerikanischen Baggagedeal heraus. Wir benötigten genaugenommen dringend zwei geschlossene Transportbehälter zum Teiletransport. Die beiden hatten einen 280 SEL mit Motorschaden und einen 4.5 mit durchgeknabberten Kabelstrang im Motorraum im Weg herumstehen. Eine perfekte Konstellation eigentlich. Doch nach zwei Stunden wussten wir zwar, was bei altgedienten S-Klassen alles in Schieflage geraten kann. Die Vortragsreihe erstreckte sich vom Kabelbiss und Transportkostenbetrug, über Fehlfarben bis hin zu hinterfotziger Zylinderkopfdichtmasse die Kühlwasser säuft.
Allein dem Paket fehlte der Preis. Also wurde uns Herb vorgestellt, indem man mir Nicks Cellphone ans Ohr drückte. Herb war 84 und sprach hessisch. Hatte ein Pontoncoupe zu verkaufen und transportiert für den Lebensunterhalt Fahrzeuge von A nach B. Also around the corner sozusagen. Nach kurzer Zeit wussten wir also schon die Folgekosten des angestrebten Baggagedeals. Dann wurde ich mit Pauls Lebensgefährtin verbunden. Ab jetzt gings schwäbisch weiter. Paul, wurde mir in schwäbenglisch mehrfach bestätigt, sei vollumfänglich supergut. Hätte mir als nächstes Henry Kissinger oder Jürgen Klinsmann ins Ohr geflüstert, hätte mich das auch nicht mehr beeindruckt.
Erst als Wolf in die Runde warf, dass es bereits vier Uhr nachmittag wäre und wir im finstern grundsätzlich keine Fahrzeuge kaufen würden, hielten wir bei Einbruch der Dämmerung zwei amerikanisch Fahrzeug-Title in Händen.
Hanoi, da hätte mer fascht aneinand vorbegschwätzt ...
1 8 . D e z e m b e r 2 0 1 3
Triple A, die Teilehökerseele, hatte uns im Schlepptau und lotste uns zu Herm einen durchgeknallten Industriefliesenhersteller.
Der Gründer einer bekannten Country-Syile Bodenfliesenkette hatte irgendwann angefangen Alteisen, vorwiegend mit dem Stern vorne drauf, zu sammeln und begann sinnigerweise die Fahrzeuge rund um und innerhalb seines Industriekomplexes zu drapieren.
Irgendwann stand die Zahl 48 vorne dran und seine Vorlieben (111er Coupe in allen Motorenvarianten) fingen an die Meute an Staplerfahrern, die tagsüber durch die Gänge der Schwerlastregale rangierten, gewaltig zu nerven. Vor knapp einem halben Jahr soll ein Polizeihubschrauber die illegal abgestellte Sammlung rein zufällig entdeckt haben. Am Ende drohte die City ihm ernsthaft an, ihm Gebühren-Tickets für Fremdparken auf eigenem Gelände zu schreiben.
Das Fass zum Überlaufen brachte dann eine Horde hochbegabter Spraykünstler, die sich vor cirka sechs Wochen den Weg über die Zäune gebahnt hatte und für alle Welt sichtbar siebzehn der außerhalb abgestellten Autos und zwei Wachhunde großflächig verzierten. Herm war derartig angemistet, dass er das komplette Sammelsurium an einen Internetauktionshaushändler verklopfte. An den graffitiverzierten Flossen und 108ern hatte der Käufer aber kein Interesse. Zudem scheint er einige herausgetrennte Bleche einfach vergessen zu haben.
Glaubt uns, wir mussten einfach zuschlagen und planen mit der farbigen Türenpracht eine Sonderausstellung in der Teileversorgung.
1 9 . D e z e m b e r 2 0 1 3
Menifee, CA - Warten auf Godot
Herbert, mein 84 jähriger Telefonfreund mit dem Pontoncoupe hängt wieder in der Leitung und bestätigte uns zum wiederholten Male, dass er morgen um halb vor Mittag anrückt, um die beiden S- Klassen zu CFR-Line nach Paramount zu transportieren. Also mussten wir eine Nachtschicht eingelegen, um in Santa Paula die herausgetrennten Blech- und die im Storage verstreuten Kleinteile herauszukramen. Die vollgeladene Fuhre karrten wir umgehend ins 150 Meilen entfernte Menifee.
Dort angekommen hängten wir gleich noch eine Frühschicht dran, sonst hätten wir nicht rechtzeitig die Innenausstattungen ausgebaut bekommen. Es mussten ja noch die vorbestellten Sitzbezüge sowie das Teilekonvolut von Nick samt drei großer Kartons englischsprachiger Literatur in die entleerten Karosserien gestopft werden.
Mist, ausgerechnet heute musste es anfangen zu regnen. Dummerweise standen beide 108er auf schlammigen Untergrund. Notgedrungen schleppten, drückten, quetschten und stapelten wir hektisch was das Zeugs hielt und hatten am Ende sogar noch zehn Minuten Luft zum vereinbarten Abholtermin.
Wolf zog seine letzte Fluppe aus der zerweichten Zigarettenschachtel, und so wir standen einträchtig herum und harrten der Dinge.
Und warteten auf Herbert.
Nach einer Stunde fing es derart an zu schütten, dass wir Schutz unter Planen suchten. Doch der Unterschlupf schützte gegen alles, nur nicht vor Wasser von oben.
Also standen wir einträchtig unter tropfenden Planen und warteten weiter auf Herbert,
Der hing auf dem 78er Highway fest, da es dort normalerweise nicht regnet. Inzwischen waren wir völlig durchgeweicht und suchten Unterschlupf in einem ausgebeinten Wohnmobil ohne Scheiben mit offenen tropfenden Dachluken und warteten auf Herbert.
Der hing mittlerweile auf dem 15er Highway fest, da es auch dort normalerweise nicht regnet. Wolf wurde unerträglich, ihm waren die heizbaren Klimmstengel ausgegangen und wir warteten auf Herbert. Einer davon völlig unternikotiniert.
Doch Herbert hatte den Eingang zur nicht geschotterten Einfahrt verpeilt und war angeblich bereits vor zehn Minuten daran vorbeigedonnert.
Also fuhr Nick los, um Herbert einzufangen.
... und wir warteten geduldig weiter. Diesmal auf Nick und auf Herbert.
Kurz vor halb drei kam Herbert im Schlepptau von Nick auf den Hof gerollt. Der Hänger sah aus wie ein Viehtransporter mit Galgen zum Schächten oder Aufknüpfen von störrischem Getier. Dass die Galgenkonstruktion, mittels Seilwinde einzig und allein zum hoch- und ablassen des tonnenschweren Auffahrgitters angebracht wurde, merkten wir erst, als wir fast darunter begraben wurden.
Diese selbstfabrizierte Transportvorrichtung wog laut Herbert 11.000 Pfund, konnte weder neigungstechnisch angepasst werden und funktionierte nach dem U-Boot-Vertäuungsprinzip der US-Navy aus dem Jahre 1962. Das zu transportierende Gefährt wird darauf fixiert, indem man eine Art Verkettung der Umstände anwendet. Was bei dieser profanen Technik zur Transportsicherung an schweren Ketten und Haken ineinanderverwunden werden muss, spottet jeder Beschreibung. Gestrafft wird die Kettenorgie am Ende mittels abstruser Kettenspanner, die auf dem Such- und Find-den-Fehler Prinzip basieren. Das Halteergebnis ist quasi eine Art Näherungslösung. Sollte Handbremse ziehen oder Gangeinlegen nicht möglich sein, tobt sich die Ladung eben im Trailerkäfig aus.
Herbert verlangt übrigens drei Dollar pro beladener Meile, lehnt aber aus Altersstarrsinnsgründen ein Navigationssystem strikt ab. Da der Tageskilometerzähler nicht funktionierte, wurde der Tachostand notiert. Da Herbert zudem nicht wusste, wo Paramount im Großraum Los Angeles genau liegt, hat sich Wolf entschieden in die Fuhre zu krabbeln und den Copiloten zu spielen.
Also zogen sie los, während ich mich im nächsten Starbucks Coffee Shop einquartierte, um die aufgelaufenen Emails abzuarbeiten.
16:15 Anruf von Wolf. Auf dem 15er ging nichts mehr, weil es regnet und ein Reisebus umgefallen war.
16:45 Anruf von Wolf. Sie stehen immer noch. Doch die Anlieferung bei CFR-Line geht heute drei Stunden länger, da auch noch andere Trucks festhängen.
17:15 Anruf von Wolf mit der Aussage, dass keine weiteren Anrufe mehr möglich seien, da Herberts Handy bald "out of juice" wäre.
19:00 Ich rufe Wolf auf seinem deutschen Firmenhandy für Notfälle an. Jemand meldet sich mit "ZVG-Bonitz". Ich antworte: "Könnten sie mich bitte mit Wolf verbinden?" Die schroffe Antwort lautet: "Am Apparat!" Ich will wissen, ob es irgendwelche Neuigkeiten gibt. "Noch dreißig Meilen!" "Kann ich irgendwas für Dich tun?" "Besorg zwei Flaschen Rotwein und ne Stange Kippen!" KLICK!
20:15 "ZVG-Bonitz". Ich frage "und ???" Er antwortet: Mit wem möchten sie verbunden werden?" KLICK!
21:15 "ZVG-Bonitz" Ich frage "und?" "Wir laden gerade ab. Müssen bei Herbert in Ramona schlafen, ruf seine Frau an, die weiß die Adresse!" Klick.
Das Navigationssystem meint, die Ecke wäre nach 71 Meilen um. Na wunderbar. Ich taste mich auf zwei Meilen heran und warte in ner Parkbucht auf Wolf und Herbert.
23:15 Wolf und Herbert fliegen an mir vorbei. Ich hänge mich dran.
23:30 Herbert leuchtet uns mit der Taschenlampe einen Steilhang hoch, auf dem ein alter Trailer mit einer abenteuerlichen Stützkonstruktion in Schräglage abgestellt stand.
23:45 Bei fünf Grad Außentemperatur liegen wir regungslos auf der Matratze und halten uns an unseren Botteln Rotwein fest.
Wir haben uns in dieser Nacht kein einziges Mal bewegt. Die Angst in Achterbahnmanier samt Camperhülle den Abhang hinunterzurumpeln war definitiv größer als der Druck auf der Blase.
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Ramona, CA - Warten mit Godot
6:30 Herbert klopft an die Türe. "Alles okay Jungs?" Wir lügen und antworten beide mit "Ja!"
Die Klamotten sind klamm und hängen wie Säcke am Körper. Am Türdrücker klebt Rauhreif. Egal, Hauptsache raus hier ...
7:30 Wir suchen Herbert. Der muss noch schnell was am Haus machen.
8:30 Wir finden Herbert. Der muss noch einen Ersatzreifen für den Hänger holen und verschwindet hinter einem Reifenstapel. Wir hängen auf seinem Anwesen rum und staunen, was hier alles so verteilt rumsteht.
8:45 Wir sehen Herbert der uns zuwinkt und meint gleich wäre er soweit.
9:15 Wir finden und eskortieren Herbert zum Gespann. Er hätte zwar noch müssen, aber konnte nicht, da Wolf nicht mehr von seiner Seite wich.
10:30 Herbert hat auch nicht gut geschlafen und wirkt müde. Also laden wir das zweite Fahrzeug auf die Idiotenkonstruktion und verketten die Umstände erneut.
11:30 Herbert fährt Schlangenlinien. Wolf versucht ihn wach zu halten.
12:30 Wir laden den vollgestopften 108er bei CFR-Lines ab und einigen uns mit Herbert darauf, dass das 150 Meilen gewesen sind.
Zum Abschied klopft Herbert Wolf noch auf die Schulter und steckt ihm eine Visitenkarte zu und meint "für alle Fälle, man weiß ja nie!"
Wolf hat sich die Karte eingesteckt. Darauf stand: Herbert Niederbaiser - Enterpriser. TRANSPORTE ALLER ART.
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Aus Zeitmangel ziehen wir gleich vier Pick A Parts im Schnelllauf durch.
(Y26) (965 Meilen) Ecology, Alameda Blvd. City of Los Angeles
(Y27) (979 Meilen) Pick A Part, 1232 Blinn St. Wilmington
(Y28) (980 Meilen) Pick A Part, 1903 Blinn St. Wilmington
(Y29) (981 Meilen) Ecology, East Lomita, Wilmington
Dann geht die Reise auch schon wieder weiter. Diesmal nach Chico, dort soll sich einem Geheimtipp zufolge einer der skurrilsten Backyards Kaliforniens befinden. Up there, so hat man uns zugeflüstert, soll die Zeit in den frühen 70er Jahren stehen geblieben sein und eine Unmenge von Pontons und Heckflossen, einträchtig neben Peugeots, Volvos und alten Traktoren in einer bizarren Farmlandschaft vor sich hinwelken. Das wollten wir uns quasi als Sahnehäubchen gönnen, zumal wir auf dem Hochweg den Pick-N-Pull in Merced mitnehmen wollten, da dort eine Heckflosse stehen sollte.
Vielleicht klappt ja auch noch das Abschleppunternehmen in Modesto. Dort soll auch etliches noch hinterm Zaun verborgen sein.
Also zogen wir gen Norden los. Obwohl wir strenggenommen übermorgen schon wieder in Santa Paula sein mussten, da wir die letzte Fuhre sonst nicht mehr im Storage verstaut bekommen würden. Bei über zwölfhundert Meilen ein sportliches Unterfangen.
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(Yard 30) (1161 Meilen) Pick-N-Part, East Child Ave, Merced
Tatsächlich eine 190er Flosse und ein ultraperfekter 300 TDT Kombi standen in Merced auf dem Yard herum. Gefunden hatten wir die beiden Fahrzeug aufgrund des neuen Web-Angebots von Pick-N-Pull, Row52 genannt. Hier kannst du online alle Fahrzeuge einsehen, die sich gerade auf dem Yard befinden.
Auf dem Weg nach Chico hatten wir dann fünf Türen, eine Heckklappe, zwei Kotflügel und allerlei Kleinteile im Handgepäck.
CHICO - Pontonfarm
Der Insidertipp war ein absoluter Volltreffer auf der ganzen Linie. Dafür wäre ich auch die doppelte Strecke gefahren. Könnte ich diese SZENERIE nach Ornbau beamen, ich würde es glatt tun.
Darüber werde ich einen bilderreichen Artikel für die Clubzeitung schreiben. Eigentlich muss man das so lassen wie es ist. Da darf man nicht schrauben, nur da sitzen und staunen.
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Modesto, Abschleppunternehmer Maestro Gabriel.
Gabriel fährt mit einem rechtgelenkten RR Silver Shadow seit knapp 20 Jahren tagtäglich zur Arbeit. Dort steigt er in den Truck und schleppt liegengebliebene Fahrzeuge in sein umzäuntes Areal und harrt der Dinge. Irgendwann gehen die abgeschleppten Trophäen dann in seinen Besitz über.
So auch zwei Pontons, fünf Flossen, vier SLC, zwei frühe S-Klassen und jede Menge Youngtimer mit Stern.
Teilweise stolpert man auch über alte Saabs, Subaros oder einen VW-Bus, den Werner auch gleich für 700 Dollar gekauft hat. Die Preise sind zivil - die Fahrzeuge solide. Da werden wir nächstes Jahr mit Sicherheit etliches an Blechteilen einkaufen.
In der Zwischenzeit liegt unsere Hoffnung auf Werner. Sollte er in den verbleibenden elf Monaten tatsächlich die Karosserieteile für uns sichern, dann laden wir Januar 2015 wieder einen kompletten Container.
24 . D e z e m b e r 2 0 1 3
Ich bin mir wirklich nicht mehr so sicher, ob der Durchschnittsamerikaner überhaupt weiß, dass die Kartoffel gar nicht als Pommes Frites auf die Welt kommt. Mittlerweile hat man in Ballungsgebieten sogar schon Staus auf allen größeren Boulevards. Das liegt daran, dass die Drive Throu´s der Menge an Fast-Food-Liebhabern, die ihren Autositz mit dem Esszimmer verwechseln nicht mehr Herr werden, da diese essenstechnische Unkultur hierzulande zur Standardnahrungsaufnahme mutiert ist. Der Rückstau zieht sich teils tief in die Hauptverkehrsadern hinein. Nach 3.700 Meilen in siebzehn Tagen hatten wir das Geholper über die Betonplatten gründlich satt. Jetzt noch voll tanken und ab mit dem Shuttle-Bus Richtung Los Angeles Airport. Fugg! Wolf hat sprachlich die Nummern der Zapfsäulen vertauscht. Ich stand auf 8 - er sagte 6 - doch dort tankt jetzt jemand völlig Fremdes. Keine Ahnung wie Wolf das allen Beteiligten erklären will ...
Dazu fällt mir nur noch ein: Good morning America how are you?
- Horst Stümpfig und Wolf Bonitz
Verschifft wurden die Fahrzeuge mit CFR-Line - 15501 Texaco Ave. - Paramount, CA 90723 (U.S.A.). Ausdrücklich bedanken möchten wir uns hier bei Henrik Scham der uns in allen Fragen hilfreich zur Seite gestanden hat. Alle angelieferten Fahrzeuge stehen hier sicher, denn das Areal ist bewacht und nicht für jedermann zugänglich. Nicht fahrbereite Fahrzeuge werden hier nicht mit dem Stapler angehoben, sondern mit einer speziellen Vorrichtung an den Rädern gegriffen und geschoben. Wir empfehlen CFR-Rinkens ausdrücklich.